Nicht jeder will früher in die Rente
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Tairfverträge dürfen nicht grundlos vorzeitiges Ende des Arbeitsverhältnisses festlegen

Beitrag, Deutsch, Berliner Verlag GmbH & Co. KG

Autor: Andreas Dittmann

Erscheinungsdatum: 31.03.2007

Quelle: Berliner Zeitung


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Flugbegleiterinnen dürfen über das 60. Lebensjahr hinaus fliegen – Piloten nicht

Tarifverträge dürfen nicht grundlos vorzeitiges Ende des Arbeitsverhältnisses festlegen

von Andreas Dittmann

Grundsätzlich ist jede Diskriminierung allein wegen des Alters rechtswidrig, so lange es keinen rechtfertigenden Grund dafür gab. In vielen Tarifverträgen wird bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des 60. oder eines Lebensjahres vor dem gesetzlichen Rentenalter enden soll. Mitarbeiter die länger arbeiten wollten, konnten dies nicht. Eine solche Regelung war nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls im Rahmen von Tarifverträgen zulässig. Die Tarifvertragsparteien hätten eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Zwar unterliegen auch die Altersgrenzen jedes Tarifvertrages der gerichtlichen Befristungskontrolle, jedoch konnten die Tarifvertragsparteien auch eigene Befristungsgründe festlegen. So wurde jüngst die tarifvertragliche Altersgrenze für Piloten mit Vollendung des 60. Lebensjahres durch das Bundesarbeitsgericht bestätigt, da das Sicherheitsinteresse der Fluggesellschaft das Weiterbeschäftigungsinteresse der Piloten überwiege. Das Risiko altersbedingter unerwarteter Ausfallerscheinungen und er damit verbundenen Folgen war zu groß.

Diese Rechtsprechung hat nun eine wesentliche Einschränkung erfahren.
Mitarbeiterinnen einer Fluggesellschaft begehrten die Weiterbeschäftigung als Flugbegleiterinnen über den tariflich festgelegten Beendigungszeitpunkt hinaus, nachdem sie zunächst auf der Basis einjähriger Befristungen zwischen den 55. und 60. Lebensjahr verlängert beschäftigt worden waren. Die Fluggesellschaft lehnte das Begehren ab und berief sich in den vorliegenden Fällen auf eine Bestimmung im einschlägigen Manteltarifvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 55. spätestens jedoch des 60. Lebensjahres enden sollte. Auch hierbei wurde zur Begründung des vorzeitigen Ausscheidens mit dem überragenden Sicherheitsinteresse der Fluggesellschaft und mit dem im Alter zunehmenden Risiko unvorhersehbarer Ausfallerscheinungen argumentiert.

Diese Auffassung wurde nun in zwei Fällen vom Hessischen Landesarbeitsgericht ( 17 Sa 1323/06 und 1322/06 vom 15.01.2007) zurückgewiesen und dem Beschäftigungsverlangen der klagenden Flugbegleiterinnen stattgegeben.

Zur Begründung führte das Hessische LAG aus, dass es dem Tarifvertrag für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses an einem sachlichen Grund fehle. Das für die Piloten durchaus zutreffende höherer Sicherheitsinteresse überwiege jedoch nicht das Beschäftigungsinteresse der Flugbegleiterinnen. Zwar sei für Piloten anerkannt, dass sie einer überdurchschnittlichen physischen und psychischen Belastung ausgesetzt sind, in deren Folge das Risiko einer altersbedingten Ausfallerscheinung und unerwarteter Fehlreaktion zunimmt. Jedoch sei diese Belastung und das Risiko mit der Tätigkeit einer Flugbegleiterin nicht vergleichbar.

Schon vor der Einführung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) per 01.09.2006 hatte der Europäische Gerichtshof in einer wegweisenden Entscheidung dem Deutschen Gesetzgeber die Unvereinbarkeit der diesbezüglichen Regelung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zum erleichterten Abschluss befristeter Arbeitsverträge ohne Sachgrund mit älteren Arbeitnehmern deutlich gemacht.

Der Autor ist Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht in der Kanzlei Dittmann & Kahlau in Berlin - Mitte

Andreas Dittmann

DE, Berlin

Dittmann & Kahlau Rechtsanwälte

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