Erich Wulffen: Kriminalpsychologie und Psychopathologie in Schillers Räubern (1907)
Erich Wulffen: Kriminalpsychologie und Psychopathologie in Schillers Räubern (1907)

Erich Wulffen: Kriminalpsychologie und Psychopathologie in Schillers Räubern (1907)

Buch, Deutsch, 132 Seiten, Berliner Wissenschaftsverlag

Autor: Jürgen Seul

Herausgeber / Co-Autor: Jürgen Seul

Erscheinungsdatum: 01.10.2007

ISBN: 3830514425


Aufrufe gesamt: 355, letzte 30 Tage: 1

Kontakt

Verlag

Berliner Wissenschaftsverlag

Preis: k. A.

Kaufen

Im Jahr 1782 wurden Friedrich Schillers "Räuber" erstmals aufgeführt, 1907 veröffentlichte der sächsische Staatsanwalt und Kriminologe Erich Wulffen seine kriminalpsychologischen und psychopathologischen Überlegungen zu diesem Drama, und 2007 schließlich brachte Jürgen Seul eine Neuauflage des Wulffen'schen Textes heraus, versehen mit einer verdienstvollen biographischen Einleitung zu Wulffen und mit literarischen und juristischen Erläuterungen. Beschäftigt man sich mit dem von Seul neu edierten Werk Wulffens, so hat man es also eigentlich mit drei Büchern zu tun, deren unterschiedliche literarische, juristische, kriminologische und psychologische Schwerpunktsetzungen die Lektüre zu einer vielschichtigen und interdisziplinär anregenden Angelegenheit werden lassen.

Wulffen, der neben seinem juristischen Brotberuf seine Liebe zur Schauspielerei und zur Literatur nie verlor (und auch mit Karl Mays Witwe Klara in engem Kontakt stand und bei der Vernichtung der den Vater Old Sure- und Shatterhands betreffenden Strafakten mithalf), war als Kriminologe Anhänger von Lombrosos Degenerationslehre. Es überrascht also nicht, dass er in Franz und Karl Moor, den Hauptakteuren in Schillers "Räubern", degenerierte und dem Irrsinn nahe stehende Charaktere sah. Franz Moor verortete Wulffen zwischen dem "moralisch irrsinnigen Scheinverbrecher" und dem "im äußeren Bilde ganz gleichen Gewohnheitsverbrecher aus defekter Erziehung und willkürlicher Hingabe an das Laster" (S. 42), und bei Karl Moor diagnostizierte er "paranoia reformatoria sive politica" (S. 44), eine mit Größenideen verbundene Form der "paranoia chronica".
Jürgen Seul gelingt es nun in seinen Erläuterungen, Wulffens psychologische und psychopathologische Ausführungen in Bezug zu den kriminologischen und psychiatrischen Diskursen seiner Zeit zu stellen, wobei v.a. Lombroso und Krafft-Ebing als prägende Instanzen herausgestrichen werden. Auch die Wirkung literarischer Größen wie Shakespeare und historischer Vorbilder wie der "Krummfinger-Balthasar-Bande" wird dabei gebührend berücksichtigt. Wenn auch Seul in seinen Erläuterungen eine umfassendere Auseinandersetzung mit der neueren kriminologie- und psychiatriegeschichtlichen Literatur vermissen lässt, so gelingt ihm doch eine treffende Einordnung von Wulffens Werk in das Spannungsfeld zwischen sozialdarwinistischen Theorien und literarisch-idealistischen Vorstellungen einer gerechten Gesellschaft. Ein kultur- und gesellschaftsgeschichtlicher Bogen, der sich vom deutschen Idealismus und der deutschen Klassik über die positivistische und biologistische Wissenschaftsgläubigkeit des 19. Jahrhunderts bis zu den kriminalpolitischen Fragen der Gegenwart spannt, wird so bei der Lektüre dieses neu edierten und erläuterten Textes Wulffens sichtbar. Eine Zusammenstellung von zeitgenössischen Rezensionen, welche die unmittelbare Rezeption von Wulffens Werk illustrieren, und ein Werkverzeichnis des sächsischen Kriminologen runden den nicht allzu umfangreichen, aber gehaltvollen Band ab.

(Dr. Dr. Christian Bachhiesl)

Archiv für Kriminologie, Band 222, Heft 1-2/2008, S.66-67

Jürgen Seul

DE, Bad Neuenahr-Ahrweiler

Publikationen: 21

Aufrufe seit 11/2010: 1093
Aufrufe letzte 30 Tage: 2